Chloranisole: hartnäckiger Mief im Haus

Der Schock der Besucher ist intensiv und lange anhaltend – ganz im wahren Sinn des Wortes. Für die Besitzer betroffener Häuser können Chloranisole gar existenzbedrohend sein. Nicht nur, dass Immobilien enormen Wertverlust erleiden, auch soziale Ächtung kann die Bewohner treffen.

Modrig-muffig und manchmal ultra-intensiv

Bei Chloranisolen handelt es sich um stark riechende Verbindungen, deren Geruch zunächst recht unspektakulär an modrig-muffigen Schimmelgeruch erinnert. Oftmals wird er auch dahingehend (miss!-) interpretiert. Erschwerend für eine richtige Diagnose kommt hinzu, dass Mikroorganismen wie Schimmel oder Bakterien bei der Entstehung von Chloranisolen beteiligt sind. So wird der Geruch ihnen vielfach alleinig angelastet. Man begibt sich also auf eine Spurensuche entlang des falschen Weges, was zur Folge hat, dass die wahre Ursache der Geruchsbelästigung im Verborgenen bleibt.

Die Penetranz von Chloranisolen kann enorm sein, stärker als die der modrig-muffigen Mikroorganismen, welche sich ebenfalls intensiv an befallenen Objekten, wie Büchern, Akten oder Kleidung halten können.

Chloranisole setzen sich in der Kleidung fest. Die Kleidung riecht muffig.

Nach nur wenigen Stunden in einem betroffenen Haus können Kleidung und Haare auch nach Tagen und mehreren Waschgängen noch deutlich riechen. Anders jedoch die Wahrnehmung der Bewohner betroffener Häuser: Das Gehirn blendet den Geruch nach relativ kurzer Zeit aus und wird so von den Betroffenen nicht mehr wahrgenommen.

Problem Chloranisole: Sind Chloranisole gesundheitsschädlich?

Da nach bisherigen Erkenntnissen Chloranisole keine toxikologische Gefährdung darstellen, gäbe es ja kein Problem. Bis…?

Ja, bis die Bewohner das Haus verlassen. Aufgrund der Anhaftung an der Kleidung, kommt es nun zur Belästigung Dritter mit der möglichen Folge einer Kontaktvermeidung zu den Bewohnern chloranisolbelasteter Gebäude. Die Wirkung der Chloranisole wird daher als „soziale Toxizität“ bezeichnet. Zu wissen, einen solch unangenehmen Geruch auszustrahlen, wird von Betroffenen oft als Belastung empfunden.

Sanierungen sind kostspielig und nicht immer möglich, befallene Objekte schwer verkäuflich. Und: Oft sind Chloranisole die Folge der hochtoxischen Chemikalie Pentachlorphenol. Der schwarze Peter steckt irgendwo im Haus.

Quellen von Chloranisolen

Chloranisole wurden niemals in Innenräumen direkt eingesetzt. Sie sind vielmehr (oft unkalkulierbare) Abbauprodukte anderer Substanzen. Sie können aus Stoffen wie Phenolen, Chlorphenolen oder -benzolen entstehen. Dies geschieht vor allem dann, wenn diese Stoffe Feuchtigkeit und mikrobieller Aktivität ausgesetzt sind: also wenn Schimmelpilze oder Bakterien aktiv werden.

Erst 2003 wurde der Chloranisolgeruch in der Raumluft erstmals identifiziert. Bekannt war die Verbindung bis dahin nur im Wein: als Verursacher des Korkgeschmacks.

Trichloranisol bekannt als Korkton im Wein
Gewusst? Chloranisole sind zumindest jedem Weintrinker geschmacklich bekannt. Es sind jene Verbindungen, die den Korkton im Wein verursachen. Lange kannte man sie nur dort, also in Flüssigkeit. Sind sie in der Luft, so zeigt sich jener schimmelig-muffige Geruch.

Die bestimmenden Hauptvertreter in der Innenraumluft sind 2,4,6-Trichloranisol (TCA) und 2,3,4,6-Tetrachloranisol (TeCA). Das TCA gehört zu den ultra-intensiven Verbindungen. Bereits 2 ng/m³ Luft können zu einer Geruchsbelästigung führen. Das sind 0,000000002 g in einem Kubikmeter Luft!

Bekannt wurden die Chloranisole in der Luft als „Fertighausgeruch“. Denn sehr bald nach ihrer Entdeckung war klar: Der Geruch ist ein Thema vor allem in älteren Fertighäusern.

Der „Fertighausgeruch“

In Fertighäusern, besonders der 70er Jahre, spielt der Abbau des inzwischen verbotenen, hochtoxischen Ausgangsprodukts Pentachlorphenol (PCP) die entscheidende Rolle. Die Chemikalie wurde als Fungizid eingesetzt. Man behandelte mit PCP-haltigen „Holzschutzmitteln“ bis 1989 Holzverkleidungen und Holzbalken / Holzständer jeder Art, Fenster, Türen, Fußböden und Einrichtungsgegenstände. Wird PCP durch Bakterien oder Pilze abgebaut, führt eine chemische Reaktion zur Bildung der höchst unangenehmen Gerüche.

baubiologisch Materialproben zur Quellensuche
Materialprobenahme: Zur Verminderung der Geruchsbelastung betroffener Häuser müssen die hauptsächlichen Geruchsstoffe sowie deren Geruchsintensität identifiziert werden.

Beim Kauf einer solchen Immobilie sollte im Vorfeld ein umfassender Gebäudecheck durchgeführt werden, um mögliche Schadstoff- und Geruchsprobleme feststellen zu können. Neben Chloranisolen und PCP können andere „Holzschutzmittel“, Formaldehyd, Chlornaphtaline oder Schimmel problematisch sein.

Chloranisole oder Schimmel?

Der Geruch von Chloranisolen ist von Schimmelgeruch quasi nicht zu unterscheiden. Wie kann nun festgestellt werden, ob Chloranisole oder Schimmelpilze oder gar beide für den muffigen Geruch verantwortlich sind? Für Klarheit sorgt hier nur eine professionelle Raumluftanalyse. Hierbei wird nicht nur die Identität des Geruchs geklärt, sondern auch seine Intensität.

Seit einigen Jahren gibt es hierfür eine Bewertungsgrundlage, welche die gemessenen Konzentrationen einstuft. Chloranisole treten nämlich in der Innenraumluft in einem Gemisch von mehreren Verbindungen auf. Der errechnete „Geruchswert“ eines Gemisches verschiedener Chloranisole gibt an, ob die Mischung in der Raumluft geruchlich wahrgenommen wird. Dies ist der Fall bei einem Wert >1. Bei einem Geruchswert > 6,5 liegt ein intensiver Geruch vor.

Sekundärquellen

Neben den eigentlichen Quellen sind auch Sekundärquellen zu beachten. Chloranisole haben die Eigenschaft, andere Bauteile oder auch Möbel „anzustecken“, die dann ihrerseits zu weiteren Quellen, sogenannten Sekundärquellen, des unangenehmen Geruchs werden. Ist beispielsweise eine Spanplatte im Bodenaufbau die Quelle, so werden auch Teppiche, Sofa, Vorhänge etc. zusätzliche Quellen.

Haben Sie Verdacht auf eine Chloranisolbelastung der Raumluft, bringt eine Raumluftuntersuchung Klarheit!

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