Mangelnde Fruchtbarkeit lässt zahlreiche Paare ungewollt kinderlos und sie benötigen die Unterstützung der Reproduktionsmedizin. Generell nimmt die Fruchtbarkeit ab, ein besorgniserregender Trend. 2014 konnte nachgewiesen werden, dass endokrine Disruptoren die männliche Fruchtbarkeit schädigen. Viele dieser Chemikalien sind auch in Innenräumen zu finden. Paare mit Kinderwunsch, aber auch junge Familien und Schwangere sollten hierauf ein besonderes Augenmerk legen.
Rund zwölf Prozent aller Paare sind ungewollt kinderlos und ihr Anteil wächst. Jeder sechste Mensch ist laut einer WHO-Studie unfruchtbar. Die Qualität der Spermien ist im freien Fall.
Für den Zeitraum 1973 – 2011 wurde ein Abfall der Spermienqualität von rund 50 % ermittelt. Ähnliches gilt für die Anzahl: 2018 hatte der Durchschnittsmann nur noch halb so viele Spermien im Ejakulat wie in den 1970ern. Für einen aktuellen Podcast titelt Zeit online gar von einer „Spermien-Apokalypse“ und fragt, ob das Ende der Menschheit drohe.
Zu drastisch? Fakt ist: Hatten Männer 1973 noch 101 Millionen Spermien pro Milliliter, waren es 2018 nur noch 52 bis 65 Millionen. Eine Menge … und immer noch genug? Mag sein, denn erst bei unter 20 Millionen pro Milliliter gilt die Fruchtbarkeit als beeinträchtigt.
Umweltgifte sind in Verdacht, die Fruchtbarkeit nachhaltig zu schädigen
Setzt sich der statistische Trend jedoch ungebremst fort, könnte sich die Spermienproduktion bis 2045 dem Nullpunkt annähern. Und dies ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Bereits 1996 war im Spiegel zu lesen, dass die Spermienzahl pro Jahr um 2 % sinke. Der Artikel erläuterte, dass Umweltgifte für diesen Trend in Verdacht stehen und sich die Medizin auf immer mehr Kinder aus der Retorte einstellt.
Ungewollt kinderlos zu sein, ist für Betroffene eine erhebliche Belastung: seelisch, körperlich und finanziell.
Also höchste Zeit, sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Neben medizinischen und psychischen Einflüssen spielen insbesondere Umwelteinflüsse eine große Rolle. Und einige davon sind in Innenräumen zu finden. Eine erhöhte Exposition gegenüber bestimmten hormonell wirksamen Substanzen, sogenannten endokrinen Disruptoren, kann die weibliche und männliche Fruchtbarkeit erheblich beeinflussen. Auch elektromagnetische Strahlung steht in Verdacht, die Fruchtbarkeit zu schädigen.
Hochverdächtig auf der Liste der Umweltgifte, die mangelnde Fruchtbarkeit bewirken: endokrine Disruptoren
Die WHO beobachtet seit einigen Jahrzehnten zunehmende gesundheitliche Beschwerden, die mit dem Hormonsystem zusammenhängen. Neben einer immer früher einsetzenden Pubertät bei Mädchen in den westlichen Industrieländern, beunruhige auch die nachlassende Spermienqualität junger Männer in Europa und die zunehmende Zahl an Brust-, Prostata-, Schilddrüsen oder Hodenkrebsfällen. 2012 hat die Organisation endokrine Disruptoren als ernstzunehmende Bedrohung definiert.
„Endokrine Disruptoren (ED) sind Chemikalien oder Mischungen von Chemikalien, die die natürliche biochemische Wirkweise von Hormonen stören und dadurch schädliche Effekte (z.B. Störung von Wachstum und Entwicklung, negative Beeinflussung der Fortpflanzung oder erhöhte Anfälligkeit für spezielle Erkrankungen) hervorrufen“, definiert das Umweltbundesamt auf seiner Website.
Zu unterscheiden sind sie von endokrin aktiven Substanzen (EA). Diese haben zwar Einfluss auf das Hormonsystem, „wobei es aber beim aktuellen Stand des Wissens noch unklar ist, ob diese Wechselwirkung zu einem schädlichen Effekt auf den gesamten Organismus führt oder nicht“. Ein schädliches Potential der EA ist also keineswegs ausgeschlossen.
Substanzen mit endokriner Wirkung werden in der Lebensmittelindustrie, Medizin, Empfängnisverhütung, Kosmetik sowie in Alltagsprodukten und Baumaterialien eingesetzt. Zu den bekanntesten gehören Bisphenol A, Parabene, bestimmte Weichmacher oder Flammschutzmittel, polychlorierte Biphenyle (PCBs) und einige Pestizide.
Hauptverdächtig: Weichmacher (Phthalate)
Phthalate werden vor allem als Weichmacher für den billig herzustellenden Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) verwendet, der sonst zu hart und brüchig wäre. Von der jährlich in Westeuropa erzeugten einer Million Tonnen Phthalate gehen über 90 % in die Produktion von Weich-PVC. Diese Produkte bestehen dann zu 30 – 35 % aus Weichmachern.
Der größte Endnutzer von Weich-PVC ist die Bauindustrie. Das große Problem dabei ist: Die Phthalate sind nicht an das Material gebunden. Sie dünsten aus und verteilen sich durch Abrieb und belasten so die Innenraumluft. Über die Atmung oder direketen Kontakt mit dem Material gelangen die Stoffe in den Körper.
Typische Quellen von Phthalaten in Innenräumen sind Bodenbeläge, Kunstleder, Tapeten, Teppiche oder Kabelummantelungen.
Die fünf am häufigsten eingesetzten Phthalate sind:
- DIDP (Diisodecylphthalat)
- DINP (Diisononylphthalat)
- DEHP (Diethylhexylphthalat)
- DBP (Dibutylphthalat)
- BBP (Benzylbutylphthalat)
Dabei war DEHP lange das am häufigsten verwendete Phthalat.
Von der EU sind derzeit DEHP, DBP und BBP als fortpflanzungsgefährdend eingestuft. Bei Männern senken sie die Zahl der Spermien und haben zudem das Potential, das Kind im Mutterleib zu schädigen. Daher werden seit einigen Jahren DEHP, DBP und BBP durch die Ersatzphthalate DIDP und DINP ersetzt. Diese machen derzeit den größten Anteil der eingesetzten Phthalate aus. Sie sind chemisch den ersteren ähnlich, aber derzeit nicht als gefährlich eingestuft. Dennoch hat die EU Phthalate für Baby- und Kinderartikel gänzlich verboten.
In älteren Produkten sind die gefährlichen Phtahlate natürlich noch vorhanden. Weichmacher sind langlebig und reichern sich im Organismus an.
Phthalate stehen auch in Zusammenhang mit dem Phänomen der „schwarzen Wohnungen“ („magic dust“), welches Wohnungen innerhalb kürzester Zeit schwarz werden lässt.
Nach der EU-Chemikalienverordnung REACH haben
Verbraucher das Recht, vom Produktanbieter Informationen über das Vorhandensein „besonders besorgniserregender Stoffe“ in ihren Produkten zu bekommen. Allerdings müssen Sie eine Anfrage stellen. Auf der Internetseite des Umweltbundesamtes gibt es ein entsprechendes Antragsformular. Auch gibt es hierfür eine App. Eine Antwort muss innerhalb von 45 Tagen erfolgen.
Hauptverdächtig: polychlorierte Biphenyle (PCB)
Polychlorierte Biphenyle sind in Verdacht, endokrine Disruptoren zu sein und somit für Unfruchtbarkeit bei Männern verantwortlich. Außerdem wirken sie immuntoxisch, teratogen (schädigen den Fötus im Mutterleib), entwicklungsschädigend für die körperliche und geistige Entwicklung und sind potentiell krebserregend.
Bei PCB handelt es sich um einen Summenparameter organischer Chlorverbindungen: Dies bedeutet, dass es sich hierbei – ebenso wie bei PAK ( polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) – um eine Summe aus mehreren Einzelsubstanzen handelt. Bei PCB sind dies 209 sogenannte Kongenere. Einige PCB-Kongenere weisen sogar dioxinähnliche Wirkungen auf.
Aufgrund ihrer gefährlichen Eigenschaften sind PCB seit 1986 verboten.
Bis dahin fanden sie aufgrund ihrer Eigenschaften vielfache Verwendung, i.B. im Bauwesen. Zwischen 1955 und 1975 wurden massenhaft PCB-haltige Fugendichtmassen (Fenster- oder Bodenanschlussfugen) im Innenbereich eingesetzt, insbesondere in den großen Betonbauten jener Zeit. PCB-haltige Schalungsöle haben Betonoberflächen verunreinigt. Im Fußboden-, Decken und Wandbereich wurden PCB-haltige Beschichtungen, Kleber oder Anstriche verwendet. Auch bestimmte Deckenplatten oder Kleinkondensatoren können zu einer PCB-Belastung der Innenraumluft führen.
Bei PCB handelt es sich um schwer abbaubare Stoffe. So findet man hohe PCB-Konzentrationen in betroffenen Gebäuden auch noch heute vielerorts. Gerade Schwangere sind – auch laut PCB-Verordnung – besonders schutzbedürftig.
Hauptverdächtig: Pestizide
Schon länger wird die hormonähnliche Wirkung einer Reihe von Pestiziden diskutiert, welche die Landwirtschaft einsetzt. Das bekannteste davon ist Glyphosat. Sein Einsatz wurde allen Erkenntnissen zum Trotz durch die EU-Kommission im November 2023 erneut für weitere zehn Jahre genehmigt, da es bei der Abstimmung keine ausreichende Mehrheit für oder gegen den Einsatz gegeben hatte. Deutschland wagte nicht dagegen zu stimmen, obwohl im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen vereinbart war: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ So wird also das versprochene Glyphosat-Verbot nicht umgesetzt.
Glyphosat wirkt neurotoxisch und als endokriner Disruptor. Bereits im Jahr 2015 erfolgte die Einstufung von Glyphosat als mögliches Humankarzinogen durch die internationale Agentur für Krebsforschung (IARC).
Aber nicht nur über die Nahrung können Pestizide in den Körper gelangen. Sind Materialien in Innenräumen mit Pestiziden belastet, gelangen die Gifte über die Raumluft und den Staub in den Organismus der Bewohner. Und viele Pestizide wurden und werden sowohl in der Landwirtschaft als auch für Bau- und Ausstattungsmaterialien eingesetzt. Ein gutes Beispiel hierfür sind „Holzschutzmittel“, die Holz in ihrer Funktion als Fungizide (Pilztöter) oder Insektizide (Insektentöter) schützen sollten – und dabei allein in West-Deutschland die Gesundheit hundert tausender Menschen ruinierte. Aber nicht nur das. Es gibt Hinweise darauf, dass chlorierte Kohlenwasserstoffe, wie die in Holzschutzmitteln verwendeten Pestizide Pentachlorphenol (PCP) und Hexachlorcyclohexan (Lindan) ebenso wie die Dioxine, mit denen „Holzschutzmittel“ verunreinigt waren, die Spermienqualität verschlechtern und die Befruchtung von Einzellen stören.
Zwar wurden PCP und Lindan bereits in den 1980ern im Holzschutz verboten bzw. die Herstellung in Deutschland verboten. Bis 2002 durfte Lindan hingegen in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Seit 2009 ist die Chemikalie verboten, jedoch nur innerhalb der EU. Im Ausland wird Lindan weiterhin eingesetzt. Und Pestizide sind sehr langlebige Stoffe, die auch Jahrzehnte nach ihrem Einsatz noch in großen Mengen vorhanden sind und ihre gefährliche Wirkung entfalten können.
Ebenfalls bekannt ist die hormonähnliche Wirkung einer Reihe anderer Pestizide, die ebenfalls Störungen der Fruchtbarkeit oder auch ein erhöhtes Brustkrebsrisiko zur Folge haben können.
Wie können endokrine Disruptoren in Innenräumen aufgespürt werden?
Je nach Fragestellung und Budget gibt es verschiedene Untersuchungsmethoden, endokrine Substanzen wie Weichmacher, PCB und Pestizide in Innenräumen aufzuspüren. Da sich die schwerflüchtigen Stoffe im Hausstaub anlagern, gibt ein Staub-Screening zunächst einen guten Überblick über dort nachweisbare Stoffe. Befinden sich verdächtige Materialien im Innenraum, können Materialproben genommen werden. Diese eignen sich auch zur Quellenidentifizierung. Eine Luftmessung gibt genaue Auskunft über die Konzentration der Schadstoffe. Diese Analysemethode zeigt, wie die Stoffe die Atemluft belasten. Auch vorhandene offizielle Vorsorge-Maßnahmen orientieren sich meist an den Ergebnissen von Luftmessungen. Besonders für PCB gibt es eindeutige Richt- und Grenzwerte, sodass sowohl Gesundheitsgefahren als auch Maßnahmen klar definiert sind.
Haben Sie Verdacht auf eine Belastung durch Weichmacher, Flammschutzmittel, PCB oder Pestizide in Ihren Räumen? Eine baubiologische Untersuchung bringt Klarheit!
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